Ich sitze im Auto, bin unterwegs zu meiner nächsten Familienberatung und mein Gehirn rattert. Die Mutter, mit der ich heute Morgen ein erstes Kennenlerngespräch hatte, will mir nicht mehr aus dem Kopf: Ein schwer krankes Kind und ein Kind, das ganz offensichtlich darunter leidet, dass es zu wenig gesehen wird. So wie das bei Geschwisterkindern eben leider oft der Fall ist. Die Schultern der jungen Frau hingen tonnenschwer nach unten, genauso wie ihre Mundwinkel. Sie sah viel älter aus als sie eigentlich ist.
„Ich mache mir Sorgen. Ständig!“, flüsterte sie. „Mein Großer wird früh sterben, ich vernachlässige die Kleine. Ich bin eine schlechte Mutter!“ Ich hörte ihr zu, war einfach da, gab ihr Raum ihre Gefühle auszudrücken. Viele Tränen, viel Druck, viel, viel Sorge.

Das sich-Sorgen-machen, das kenne ich als dreifache Mutter ziemlich gut. Doch ich weiß inzwischen auch, dass die Sorgenfalle nichts bringt, gar nichts. Außer vielleicht, dass negative Gedanken alles nur noch schlimmer machen und alle Beteiligten in ihrer Entwicklung einschränken. Mich schränken sie ein, weil ich ein negatives Bild der Realität erschaffe, nach dem ich mich im schlechtesten Fall verhalte. Meine Kinder schränken sie ein, weil die natürlich spüren, wenn ich mir Sorgen um sie mache. Unbewusst sende ich dabei Signale wie: „Ich vertraue dir nicht, du wirst wahrscheinlich scheitern.”, „Du kriegst es einfach nicht auf die Reihe, um dich muss man sich ja Sorgen machen!”. Oder: „So wie es gerade ist, ist es nicht in Ordnung.” Vielleicht sogar: „Du bist nicht in Ordnung?“

Ein beschissenes Gefühl, das ich aus meiner eigenen Kindheit kenne. Die Stimme im Kopf, die einem sogar als Erwachsener noch versucht einzuflüstern, dass man sich selber lieber klein machen sollte, dass das sicherer sei. Ein Haufen Arbeit war es bei mir, eine innere Stimme zu etablieren, die mich bestärkt, die mich frei sein lässt, die mich meiner Bestimmung folgen lässt.

Dauersorgen sind wie Dauerregen. Die ständige Negativtrance lässt einen zum Sorgen-Zombie werden, der Gefühle wie Freude, Neugier oder Ungezwungenheit nicht mehr spüren kann. Außerdem können sich Sorgen nicht nur zu einer Angststörung oder Depression entwickeln, sie können auch körperlich krank machen. Wer fühlt sich schon gut und sicher, der innerlich Filme laufen lässt, in denen sein Kind entführt, überfahren, vergewaltigt oder drogenabhängig wird?

Doch zurück zur Mutter mit dem schwer kranken Kind. Was für eine herausfordernde Lebensaufgabe – ich empfinde tiefstes Mitgefühl für die junge Frau. Doch betrachten wir die Situation aus der Sicht des Kindes, schaut die Angelegenheit schon etwas anders aus. Wer schon einmal mit schwer kranken Kindern zu tun hatte, weiß: die Kinder selbst haben am wenigsten Probleme mit ihrer Krankheit. Ja, sie sind sogar Meister im Annehmen – es ist eben so, wie es ist. Die Erwachsenen sind diejenigen, die mit der Situation nicht zurechtkommen. Und was dann die kranken Kinder tatsächlich behindert und sie in ihrer Entwicklung einschränkt, ist das Gefühl: Es gibt ein großes Problem mit meiner Krankheit. Ich darf nicht krank sein, es macht Mama und Papa traurig. Denn Kinder fühlen sich oft verantwortlich für ihre Eltern und wollen, dass diese glücklich sind. Sie haben das Gefühl, dafür etwas tun zu müssen. Sie lernen also, dass ihre Krankheit ein Makel ist, der schnell wegmuss. Und das ist nun wirklich ein Problem!

Also was tun? Zunächst ist es absolut wichtig, sich um sich selbst zu kümmern und seine eigenen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen: Warum, mache ich mir eigentlich so viele Sorgen? Liegt der Grund dafür vielleicht an unverarbeiteten Themen in meinem eigenen Familiensystem? Wurde sich um mich als Kind immer gesorgt? Vielleicht sollte ich da mal nachschauen…

Vielleicht hilft aber auch ein spiritueller Ansatz. Der Gedanke, dass jede Seele auf dieser Welt eine bestimmte Aufgabe hat, die er oder sie erfüllen soll, kann beruhigen und die Verantwortung nehmen, alles verändern oder beeinflussen zu müssen. Wie wäre es denn, statt den Sorgengedanken, Vertrauen ins Leben zu spüren und das tiefe Gefühl zu haben, dass jeder geführt und zu seiner Bestimmung geleitet wird?

Ich beschließe, selbst wieder mehr darauf zu achten, welche Sorgengedanken sich täglich in meinen Kopf einschleichen und beginne plötzlich, mich auf die nächste Begegnung mit der jungen Frau zu freuen. Das Leben ist trotz allem Negativen so voller Möglichkeiten und Schönheit – manchmal braucht es nur einen kleinen Funken, der uns wieder daran erinnert.

(Die ursprüngliche Geschichte wurde stark verfremdet, um alle beteiligten Personen zu schützen.)

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Wir freuen uns auf dich!
dein funke, Wallufer Straße 10, 65197 Wiesbaden

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